CASSIS WILL RUSSICHE GELDER AUF SCHWEITZER KONTEN FÜR WIEDERAUFBAU FREIGEBEN

Von: J. Brouzos, A. Rutishauser, N. Fargahi / Tages Anzeiger

Foto: Bloomberg

Kiews Wirtschaftsministerin ruft am WEF die Welt um Hilfe, ihr Land benötigt 1000 Milliarden Dollar. Die Schweiz bereitet die Deblockierung von eingefrorenen russischen Geldern vor.

Beide Kriege hängen zusammen. «Wir brauchen dringend Waffen, um den Krieg schnell zu gewinnen. Denn jeden Tag, den er andauert, wird der Schaden grösser», sagt Swiridenko. Und die Folgekosten ebenso. «Nach dem Sieg», von ihm ist Swiridenko überzeugt, «werden wir zu unseren Partnern kommen und um finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau fragen müssen», so die Wirtschaftsministerin. Diese Rechnung werde kleiner ausfallen, wenn der Sieg schneller komme. Schnelle und umfangreiche Waffenlieferungen würden dafür sorgen, dass der Schaden geringer ausfalle.

Sie unterstreicht damit den Appell des per Video nach Davos zugeschalteten ukrainischen Staatspräsidenten Wolodimir Selenski. «Die Welt darf nicht zögern, wir brauchen dringend Waffen», sagte er am WEF.

Die Frage ist nun: Wie kann die Ukraine den aktuellen Bedarf finanzieren und Gelder für den Wiederaufbau beschaffen? Die EU hat zu Beginn der Woche ein neues Hilfsprogramm über 18 Milliarden Euro aufgelegt. Damit werden laufende Ausgaben des Staatshaushalts bezahlt – um den kostspieligen Wiederaufbau geht es bei diesen Mitteln nicht. Woher das Geld für den Wiederaufbau des Landes kommen soll, ist weiterhin offen.

Wie diese Redaktion berichtete, fordern daher ukrainische Vertreter in bilateralen Treffen am WEF, dass man zum Wiederaufbau die Gelder von russischen Oligarchen im Ausland konfiszieren und an die Ukraine überweisen solle. In der Schweiz sind das 7,5 Milliarden Franken. An einem von Aussenminister Ignazio Cassis ausgerichteten Anlass zum Wiederaufbau in der Ukraine brachte der ukrainische Premierminister Denis Schmihal diese Forderung ebenfalls auf.

Die Schweiz anerkennt diese Forderung. Cassis sagt gegenüber dieser Zeitung: «Die eingefrorenen russischen Gelder sind eine mögliche Quelle für den Wiederaufbau.» Und er fügt an: «Wenn wir das Geld allerdings verwenden wollen, dann muss es entsprechende Gesetzesgrundlagen geben, und zwar international abgestimmt.»

Wie es genau gehen soll, wird offenbar im Moment im Rahmen der G-7, der EU und der UNO diskutiert. Die Schweiz sei in all diesen Arbeitsgruppen dabei. «Heute wäre die Verwendung von eingefrorenen Geldern für den Wiederaufbau nicht kompatibel mit unseren Gesetzen», sagt Cassis.

Offenbar braucht es auch Anpassungen beim Völkerrecht. Cassis: «Eigentumsrechte sind ein Menschenrecht. Im Moment ist es nur möglich, Gelder illegaler Herkunft zu konfiszieren. Aber viele der sanktionierten Gelder sind nicht illegaler Herkunft.» Darum habe bisher auch kein Land die gesperrten Gelder konfisziert und damit die russischen Oligarchen enteignet.

Banker warnen vor heiklem Signal

Auch Vertreter des Schweizer Finanzplatzes fänden einen Alleingang der Schweiz falsch. Das Land dürfe kein Präzedenzfall sein, sagt ein hochrangiger Banker in einem Gespräch am WEF. Es gebe russische Gelder in London und in den USA, warum solle daher die Schweiz eine Vorreiterrolle einnehmen? Das Land dürfe sich, so der Banker, nicht vom Ausland unter Druck setzen lassen. Wenn schon, brauche es eine internationale Lösung, die von der Schweiz mitgetragen werde. Dann entstehe dem Schweizer Finanzplatz gegenüber der Konkurrenz kein Nachteil.

Die Banker fürchten sich nämlich vor dem Signal, das eine Konfiskation aussendet. Gelder zu blockieren, sei das eine. Sie den Kunden wegzunehmen, ohne dass ihnen direkt etwas zur Last gelegt werden könne, ausser dass sie Russen seien, sei heikel, so ein Banker. Er weist darauf hin, dass es bei den Geldern aus dem Umfeld des nigerianischen Diktators Sani Abacha klar gewesen sei, dass ein direkter Zusammenhang zum Regime bestanden habe.

Geld verdienen mit Ukraine-Hilfe

Es gibt aber auch Länder, die sich von solchen Bedenken nicht abhalten lassen. Kanada etwa. Das Land hat 26 Millionen Dollar einer Firma des Oligarchen Roman Abramowitsch festgesetzt und will diese der Ukraine zukommen lassen. Für Vertreter des Schweizer Bankenplatzes eignet sich dieses Beispiel nicht als Vorlage. Der Betrag sei unbedeutend, und Kanada sei kein globaler Finanzplatz, der auf das Vertrauen der internationalen Kundschaft angewiesen sei.

Und doch präsentiert sich Kanada am WEF in einer anderen Frage als Vorreiter. Die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland sagte in Davos: «Die Ukraine mit Waffen und Geld auszustatten, ist in unserem eigenen Interesse.» Denn ein Sieg der Ukraine wirke wie ein Booster für die Weltwirtschaft.

Das Land hat daher im letzten Jahr eine Anleihe über 500 Millionen kanadische Dollar herausgegeben, das Geld ging an die Ukraine. Davon profitiert nicht nur der kriegsgebeutelte Staat, sondern auch kanadische Kleininvestoren. Sie erhalten das Geld und einen Zins von 3,25 Prozent. Wer für 1000 Dollar Anleihen zeichnete, erhält nun bis ins Jahr 2027 zweimal jährlich 16 Dollar ausbezahlt. Und soll dann – am ukrainischen Unabhängigkeitstag – das investierte Geld zurückerhalten, so das Versprechen der kanadischen Regierung.

 

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