SCHWEIZER SEEN HEIZEN SICH AUF REKORDHOCH AUF
Von: M. Brupbacher/S. Broschinski/C. Zuercher
Foto: Tagesanzeiger.ch
7 der 32 grössten Schweizer Seen weisen derzeit so hohe Oberflächentemperaturen auf, wie sie zu dieser Jahreszeit noch nie ermittelt wurden. Darunter der Genfersee, der Zugersee, der Brienzersee und der Thunersee. Und übers Wochenende werden weitere Rekorde purzeln. In den letzten zwei Wochen haben sich die Seen im Schnitt um gut 5 Grad erwärmt. Der viele Sonnenschein hat die Wasseroberflächen aufgeheizt.
Die Temperatur des Luganersees beträgt fast 29 Grad, der Zürichsee misst 26 Grad, und der Genfersee hat sich auf 25 Grad erwärmt. Wer in einen See springen will, der kühler als 20 Grad Celsius ist, muss einen Ausflug in die höheren Lagen am Alpenrand machen.
So warm sind zurzeit die 32 grössten Schweizer Seen
Um die Temperaturen für über 100 Seen im europäischen Alpenraum zu ermitteln, hat das ETH-Wasserforschungsinstitut Eawag ein komplexes Modell unter dem Namen Alplakes entwickelt, welches zuverlässige Werte simuliert. Die Abweichung zu realen Messwerten beträgt im Durchschnitt zwischen 0,5 und 1,5 Grad. Der Vorteil von Alplakes: Die Daten decken fast alle grösseren Schweizer Seen ab und stehen täglich aktualisiert zur Verfügung.
Bereits Anfang Juli nach der Juni-Hitze erwärmte sich das Wasser in vielen Schweizer Seen so stark wie nie zuvor. Und über das ganze Jahr betrachtet, sind sämtliche Gewässer weit überdurchschnittlich warm. Im Vergleich zu den 1970er-Jahren ist die Lufttemperatur in der Schweiz um rund 2,5 Grad gestiegen. Die Temperatur der Seen folgt diesem Trend.
Neben den Hitzetagen gibt es weitere Gründe für die diesjährigen hohen Gewässertemperaturen, wie beispielsweise die geringe Schneedecke in den Bergen zu Beginn der warmen Jahreszeit. Die Schmelzwasserzuflüsse waren klein und erschöpften früh.
Forellen können bei hohen Wassertemperaturen nicht überleben
Die hohen Seetemperaturen bleiben nicht ohne Folgen: Entenflöhe, Bakterien und Blaualgen können gedeihen. Auch die Fischwelt ist betroffen. «Die Erwärmung des Wassers stellt eine erhebliche Bedrohung für das Leben im See dar», sagt Martine Rebetez, Klimaforscherin und Professorin an der Universität Neuenburg.
Lachsfischen, zu denen Forellen und Saiblinge gehören, ist es nicht möglich, einfach abzuwandern. Diese Arten benötigen kühles, sauerstoffreiches Wasser und können bei Temperaturen über 20 Grad Celsius, die über einen längeren Zeitraum bestehen, sterben. «Ihr Wachstum ist bereits ab etwa 15 Grad Celsius beeinträchtigt», so Rebetez.
Im Gegensatz dazu vertragen andere Fischarten wie Karpfen Temperaturen von bis zu 30 Grad Celsius besser. Barsche liegen irgendwo dazwischen.
Ein weiteres Problem ist, dass die winterliche Durchmischung des Wassers, die Sauerstoff in die Tiefe transportiert, immer seltener stattfindet, da grosse Seen sich nicht mehr ausreichend abkühlen können. Wenn das Wasser in der Tiefe nicht mehr mit Sauerstoff angereichert wird, kommt es zur Hypoxie, einem Zustand, der das Überleben vieler Fische und anderer Organismen gefährdet. Auch die Freisetzung von Schadstoffen aus den Sedimenten kann begünstigt werden, was die Wasserqualität zusätzlich beeinträchtigt.
Dieser Prozess führt zu einer Störung des gesamten Ökosystems und stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Artenvielfalt in den betroffenen Seen dar. Es gibt Grenzwerte, jenseits derer Pflanzen und Tiere in Seen nicht mehr gedeihen und manche Fische nicht überleben werden.
«Leider sind alle Voraussetzungen dafür gegeben, dass die Temperaturen unserer Seen weiterhin neue Rekorde erreichen werden, und das zu jeder Jahreszeit», sagt Klimaforscherin Rebetez. Selbst eine aussergewöhnlich kühle oder kalte Periode werde den Trend nicht mehr umkehren können.