SCHWEIZ: WER NAZI-SYMBOLE VERWENDET – MUSS KÜNFTIG 200 FRANKEN BUSSE ZAHLEN

Der Bundesrat will das Tragen und Zurschaustellen national­sozialistischer Symbole per Spezial­gesetz verbieten. Dem Gesetz geht eine lange Entstehungs­geschichte voraus.

Von: Quentin Schlapbach

Foto: MFG

Am 8. August 2010 versammelten sich auf dem Rütli am Vierwaldstättersee rund 150 Anhängerinnen und Anhänger der mittlerweile aufgelösten völkisch-nationalistischen Partei Pnos. Eskortiert wurden die Rechtsextremen von Polizeibeamten. Auch Wanderer und Spaziergänger waren zum Zeitpunkt der Versammlung zugegen.

In den Medien fand das damalige Treffen zunächst keine Beachtung. Erst Wochen später kam ans Licht, dass einer der Rechtsextremen während des Aufsagens des Rütlischwurs seinen rechten Arm mit flacher Hand schräg in die Luft gestreckt hatte. Für jeden, der die Szene beobachtete, war klar, um welche Geste es sich hierbei handelte: den Hitlergruss.

Der Vorfall führte zu einem der bisher bekanntesten Strafverfahren wegen Verwendung nationalsozialistischer Symbole in der Schweiz. Es endete 2014 mit einem Freispruch vor Bundesgericht. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Rechtsextreme mit seiner Geste keine Werbung für den Nationalsozialismus betreiben wollte. Eine solche «werbende Absicht» musste bisher nachgewiesen werden, um jemanden wegen des Tragens oder Zurschaustellens nationalsozialistischer Symbole in der Öffentlichkeit verurteilen zu können.

Auch «18» oder «88» können bestraft werden

Das am Freitag von Bundesrat Beat Jans vorgestellte «Bundesgesetz über das Verbot des öffentlichen Verwendens von nationalsozialistischen Symbolen» will dies ändern: Wer Symbole, die klar dem Nationalsozialismus zugerechnet werden können, im öffentlichen Raum verwendet, kann künftig mit einer Ordnungsbusse von 200 Franken belegt werden. Der Gebüsste wird in keinem Verzeichnis vermerkt. Im Wiederholungsfall soll die Busse auch nicht strenger ausfallen.

Zu den verbotenen Symbolen gehören neben dem Hitlergruss und dem Hakenkreuz auch abgewandelte Symbole wie die Buchstabencodes «18» oder «88». Hier spielt allerdings der Kontext bei der Beurteilung der Strafbarkeit eine entscheidende Rolle. Für schulische, wissenschaftliche, künstlerische oder journalistische Zwecke sieht der Bundesrat in seinem Entwurf nach wie vor Ausnahmen vor.

An der Medienkonferenz betonte Beat Jans, dass Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. In den letzten Monaten sei die Zahl antisemitischer Vorfälle weltweit gestiegen. «Leider auch in der Schweiz», so Jans.

Der Nationalsozialismus steht wie keine andere Ideologie für Judenhass. Indem seine Erkennungszeichen in der Schweiz nun verboten würden, wolle man ein eindeutiges Zeichen setzen. «Nationalsozialistische Symbole erinnern uns daran, was passiert, wenn Hass, Intoleranz und Gewalt die Oberhand gewinnen.«

Weitere Verbote sollen folgen

Politische Bestrebungen, die Verwendung nationalsozialistischer und anderer klar extremistischer Symbole zu verbieten, gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Bisherige Versuche scheiterten vor allem an der schwierigen Umsetzung in die Praxis. Welche Symbole müssten alle verboten werden? Welche Ideologien und Gruppierungen sind betroffen? Wie gelingt es, in diesen sich stetig wandelnden Subkulturen einen Verbotskatalog zu führen, der einigermassen à jour ist?

Erst nachdem im Zuge der Coronapandemie wieder vermehrt nationalsozialistische Symbolik den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatte, wurde das Parlament aktiv. National und Ständerat stimmten im Frühling 2024 beiden Vorstössen zu, welche ein Verbot von «rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen» Symbolen fordern.

Das vorliegende Verbot nationalsozialistischer Symbole soll denn auch nur der erste Schritt sein. Zu einem späteren Zeitpunkt will der Bundesrat das Gesetz ausweiten, indem weitere extremistische, rassendiskriminierende und gewaltverherrlichende Symbole verboten werden.

Jüdischer Dachverband begrüsst neues Gesetz

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) fordert schon seit Jahren ein klareres Verbot für die Verwendung nationalsozialistischer Symbole in der Öffentlichkeit. «In unserer Gesellschaft besteht ein breiter Konsens, dass die Nazis ein menschenverachtendes Regime waren», sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner. Dass bisher eine «werbende Absicht» habe nachgewiesen werden müssen, um das Tragen und Zurschaustellen von Symbolen aus dem Nazireich strafrechtlich ahnden zu können, sei eine klare Gesetzeslücke gewesen. «Diese Lücke wird mit dem vorliegenden Gesetz endlich geschlossen», so Kreutner.

Die Umsetzung des lange gehegten Anliegens über ein Spezialgesetz findet der SIG-Generalsekretär eine pragmatische Lösung. Kreutner begrüsst auch die Absicht des Bundesrats, dass in einem zweiten Schritt auch die Verwendung weiterer Symbole mit menschenverachtendem oder extremistischem Hintergrund gebüsst werden können. «Es geht hier um ein wichtiges Zeichen, das Bundesrat und Parlament setzen.»

SP und Grüne reagieren erfreut

In ihren ersten Stellungnahmen begrüssen vor allem linke Parteien das Vorgehen des Bundesrats. «Die öffentliche Zurschaustellung von Nazi-Symbolen ist eine stille Werbung für menschenverachtende Ideologien», sagt SP-Nationalrätin Min Li Marti. «Mit diesem Verbot setzt die Schweiz ein klares Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus.»

Sibel Arslan, Nationalrätin der Grünen, sagt: «Ein Verbot von Nazi-Symbolen im öffentlichen Raum ist ein wichtiges und wirksames Mittel im Kampf gegen Hass und Antisemitismus.» Die Grünen würden ein entschlossenes Handeln begrüssen.

Bereits im Parlament fand das Anliegen eine grosse Mehrheit. Einzig Teile der SVP argumentierten, dass durch Verbote von Symbolen und Gesten die Meinungsfreiheit zu stark eingeschränkt werde.

 

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