GEFAHR FÜR KROATEN IN SERBIEN

Von: Michael Martens/FAZ

Foto: Danas/N1

Reisen nach Serbien. „Empfohlen wird, alle nicht notwendigen Reisen zu verschieben, Vorsicht walten zu lassen, die aktuelle Situation zu verfolgen und sich vor der Reise genauer zu informieren, da unangemessenes und unbegründetes Verhalten der Behörden der Republik Serbien gegenüber kroatischen Staatsbürgern verzeichnet wurde“, heißt es in einer Mitteilung des kroatischen Außenministeriums, die auch eine weitere Warnung enthält: „Kroatischen Staatsbürgern wird geraten, Orte mit größeren Menschenansammlungen zu meiden.“

Innenminister Davor Božinović hatte sich bereits am Donnerstag an seine Landsleute gewandt und gesagt, man solle sich genau überlegen, ob derzeit wirklich ein guter Moment ist, um nach Serbien zu reisen. Der kroatische Außenminister Gordan Grlić-Radman kommentierte die Lage für seine Landsleute bei Aufenthalten in dem Nachbarland ähnlich: „Nach allem, was ich sehe, ist die Sicherheit fraglich.“ Kroatien übermittelte dazu eine Protestnote an die serbische Regierung und setzte das Büro der EU-Delegation in Belgrad von den jüngsten Entwicklungen in Kenntnis.

Weder Drohungen noch Versprechen halfen bisher

Anlass für die Initiative war die Verhaftung von fünf kroatischen Staatsbürgerinnen, die an einer Konferenz in Belgrad teilgenommen hatten, bevor sie in ihrem Hotel spätabends von Geheimdienstmitarbeitern unter dubiosen Umständen verhaftet und nach einem mehrstündigen Verhör des Landes verwiesen sowie mit einem Einreiseverbot belegt wurden. Eine der Ausgewiesenen schilderte der Zagreber Zeitung „Jutarnji List“ ihre Erlebnisse in Serbiens Hauptstadt ausführlich. Demnach wurden die Konferenzteilnehmer nach ihrer Rückkehr aus einem Restaurant in der Lobby ihres Hotels von mehreren Männern in Zivilkleidung erwartet, die ihnen die Ausweise abnahmen und sie zwangen, in ein Fahrzeug ohne Nummernschild zu steigen, mit dem sie zu einem Verhör gebracht wurden, das bis in die frühen Morgenstunden dauerte. Demnach wollten die Männer unter anderem wissen, wer das von der österreichischen „Erste Stiftung“ ausgerichtete Seminar finanziert habe und was dort besprochen worden sei. Schließlich wurde den Frauen ein Dokument in kyrillischer Schrift samt der Aufforderung ausgehändigt, es zu unterschreiben. Darin wurden die Verhörten demnach davon in Kenntnis gesetzt, dass sie die „Sicherheit der Republik Serbien“ bedroht hätten.

Dieser Übergriff war nur der jüngste in einer Reihe von Vorfällen gegen kroatische Staatsbürger in Serbien, die seit Wochen andauern. Sie ereignen sich vor dem Hintergrund der serbischen Studentenproteste gegen die Regierung und das Machtsystem von Staatspräsident Aleksandar Vučić, die schon im November begannen und seither stetig mehr Zulauf bekommen. Der serbischen Regierung ist es bisher weder mit Drohungen noch mit Versprechen gelungen, die Protestwelle einzudämmen. Wohl deshalb sind Vučić, mehrere Regierungspolitiker sowie Medien unter Kontrolle der Machthaber dazu übergegangen, die Studentenproteste ohne jegliche Belege als vom Ausland gesteuert zu desavouieren. Auf diese Weise soll offenbar jener Teil der Bevölkerung, der sich durch das Medienkartell der Machthaber informiert, gegen die Protestbewegung in Stellung gebracht werden.

EU-Kommission rügt serbische Medien

So wurden Pässe kroatischer Staatsbürger, die angeblich hinter den Protesten stecken, in Regierungsmedien verbreitet – samt den Fotos und vollen Namen ihrer Inhaber. In einem Fall kam heraus, dass es sich bei den derart angegriffenen Personen um die Söhne eines Serben handelt, der 1995 im Zuge der Befreiung Kroatiens von serbischer Besatzung nach Serbien geflohen war. Flüchtlinge aus Kroatien und ihre Nachkommen können kroatische Pässe beantragen. Schon Ende 2024 war eine Gruppe von Austauschstudenten aus Kroatien von serbischen Regierungsmedien als Delegation des kroatischen Geheimdienstes verleumdet worden. Den Ton gab Vučić vor, indem er behauptete, dass der kroatische Geheimdienst Mitarbeiter nach Serbien einschleuse, und bei anderer Gelegenheit hervorhob, als er noch Student war, hätte man solche Leute „rausgeworfen“. Die EU-Kommission hat das Vorgehen serbischer Medien gerügt und eine Untersuchung durch die Behörden gefordert. Da serbische Regierungsmedien seit Jahren ungestraft Persönlichkeitsrechte von Oppositionellen verletzen, ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass solche Untersuchungen angestrengt werden oder zu einem Ergebnis führen.

In Zagreb blickt man auch deshalb mit Sorge auf die systematisch geschürte antikroatische Propaganda Belgrads, weil in der serbischen Nordprovinz Vojvodina eine kroatische Minderheit lebt. Bisher sind zwar keine Übergriffe bekannt geworden, und von den demonstrierenden Studenten drohen diese auch nicht. Allerdings gab es schon mehrere gewaltsame Übergriffe von Vučić-Anhängern auf Demonstranten. Unter anderem wurde eine Demonstrantin von einem Auto überfahren. Der Täter dürfte sich durch eine Aussage Vučićs, in der er Verständnis für Autofahrer geäußert hatte, die Straßenblockierer überfahren, zumindest nicht entmutigt gefühlt haben. Den Kroaten in der Vojvodina ist aus den jugoslawischen Zerfallskriegen der Neunzigerjahre noch in schlechter Erinnerung, wie aus hetzerischen Worten eine lebensgefährliche Wirklichkeit werden kann. Außenminister Grlić-Radman wollte sich auf Nachfrage der F.A.Z. nicht weiter zu den Vorgängen in Serbien äußern. Inoffiziell ist aus Zagreb zu erfahren, dass man sich durchaus um die Sicherheit der kroatischen Bevölkerungsgruppe in Serbien sorgt, aber unbedingt vermeiden will, Belgrad Vorwände für eine weitere Verschärfung der Rhetorik zu liefern.

 

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